Wir als Initiatoren des Portals – Iris M. Rall-Lorenz M.A. und Dr. Gregor Kalivoda – haben uns für dieses Medium entschieden, gerade auch um schnell, weltweit, interaktiv, dabei aber auch non-profit-orientiert arbeiten zu können, eine möglichst große Adressatenschaft avisierend.
Der Schwerpunkt dieser Internetpräsentation liegt auf dem Text. Es ist unser Wunsch und auch ein Ziel dieser Monografie, dass der Leser selbst die Werke, die in diesem Text genannt sind, mit den Möglichkeiten des Internets aufruft und so auf Spuren- und Bildersuche geht. Und vielleicht wird sich der an Grieshaber Interessierte auch einmal die Exponate in Museen oder im Rahmen von immer wieder stattfindenden Ausstellungen anschauen.
Dr. Gregor Kalivoda war von 1987-2011 Geschäftsführer des Tübinger DFG-Projekts „Historisches Wörterbuch der Rhetorik“ (10 Bände), seit 2012 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am „Seminar für Allgemeine Rhetorik“ der Universität Tübingen.
Seine wichtigsten Forschungsfelder sind Politische Rede, Argumentationstheorie, Wissenschaftsgeschichte der Rhetorik, Gesprächsrhetorik, Juristische Rhetorik sowie Rhetorik und Kunstgeschichte
Das Holzschnittmuseum Spendhaus steht in Reutlingen und es wäre ohne einen Grieshaber nicht in dieser Weise zustande gekommen. Hier sind feste und variierende Ausstellungen rund um den Holzschneider und den zeitgenössischen Holzschnitt/Druckgrafik eingerichtet:
Und es gibt auch einen Freundeskreis dazu:
www.freundeskreis-spendhaus.de
1. HAP Grieshaber: Zahlen, Zitate, Zeitbezüge
2. Meister verschiedener Techniken/Wandlung des Holzschnitts zum großformatigen Wandbild
3. Wort und Bild als Paar (Teil 1: Holzschnitt und Malbrief und Teil 2: Grieshaber und sein Diskurs mit Intellektuellen, Schriftstellern und Philosophen)
4. Künstlerrezeption: Picasso und das männliche Prinzip, Bukolik und Selbstinszenierung
5. Grieshaber und die Antike
6. Geschichte als Lernort: „Engel der Geschichte“ und „Bauernkrieg“
7. Biblische Themen: „Hiobsbotschaften“, „Kreuzwege“ und „Josephslegende“
„Zum Ekel ist mein Leben mir geworden,/ ich lasse meiner Klage freien Lauf,/
reden will ich in meiner Seele Bitternis.
Ich sage zu Gott: Sprich mich nicht schuldig,/ lass mich wissen, warum du mich befehdest!
Was hast du davon, dass du Gewalt verübst,/ dass du die Mühsal deiner Hände verwirfst,/ doch über dem Plan der Frevler aufstrahlst?
Hast du die Augen eines Sterblichen,/ siehst du, wie Menschen sehen?
Sind Menschentagen deine Tage gleich/ und deine Jahre wie des Mannes Tage, dass du Schuld an mir suchst,/ nach meiner Sünde fahndest, obwohl du weißt, dass ich nicht schuldig bin/ und dass keiner retten kann aus deiner Hand?
Deine Hände haben mich gebildet, mich gemacht;/dann hast du dich umgedreht und mich vernichtet.
Nachweisbar seit Mitte der 50er Jahre beschäftigt sich der Holzschneider mit dem Geschichtsphilosophen Walter Benjamin, besaß er doch schon die Gesamtausgabe seiner Schriften von 1955.
Von 1964 bis 1980 gibt er die nach Benjamins Allegorie „Geschichtsengel“ benannte Zeitschrift heraus, die umfangreichste seines gesamtes Oeuvres. Sie erscheint immer dann, wenn es ein aktuelles, politisches, geschichtliches Ereignis nahelegt. Themen wie diese geraten in den Fokus der Reflexion: Der Brandanschlag eines Psychopathen auf Lehrerinnen und Schulkinder der Volksschule Köln-Volkhoven (11.6.1964), der Ost-West-Konflikt, Griechenlands Militärdiktatur, die Ermordung Martin Luther Kings, der Studentenaufstand, Walfang-Katastrophen oder die Rettung der Wacholderalb. Solche Dramatiken vor Ort und weltweit nimmt Grieshaber als sensibel-kritischer Betrachter des Geschehens in den Blick und macht sie in Textualität und Bildlichkeit bewusst.
Wie beeinflusste Benjamin und dessen Geschichtstheorie das Schaffen Grieshabers?
Der lateinische Begriff Mythus, aus dem altgriechischen μῦθος, mỹthos kommend, „enthält die religiöse gefärbte Darstellung von Vorgängen aus dem Natur- und Weltleben und der Weltwerdung unter dem Bilde menschlicher Gestalten oder eines in menschlicher Art dargestellten Tuns und Leidens, wobei die Wesen, die Natur- und Geisteskräfte der Welt als Götter und Helden erscheinen“, so formuliert es Johannes Hoffmeister. (1)
Im weiteren Sinne werde unter diesem „jede sich aus Bestandteilen der Wirklichkeit aufbauende und diese als Symbole für göttliche oder metaphysische Mächte und Kräfte verstehende, das Wesen der Erscheinungen in Bildern statt in Begriffen ausdrückende Darstellung metaphysischer Zusammenhänge des Natur- und Menschenlebens verstanden“. (2)
Dem rhetorischen Ideal der brevitas und claritas folgend, subsumiert der Mythos als Bild einen archaischen Inhalt. Die Antike als Inventionsort des Mythos hat daher über die Jahrhunderte – bis heute – die gesamte Welt des Bewusstseins inspiriert und geprägt.
Schon Ende der 20er Jahre ist Picasso sehr bekannt, 1909 wird die erste Ausstellung mit Beteiligung des spanischen Künstlers in Deutschland von der Neuen Künstlervereinigung München in der Galerie Thannhauser veranstaltet.
„Lieber HAP, nachdem wir am 11. September mit den yugoslawischen Schriftstellern die schönen Stunden in ihrem zauberhaften Garten verbringen durften, schrieben Sie am 12.9 ´… das war ein böses Erwachen – Chile. Man kann es immer noch nicht fassen, das Ausmaß an Leid, das über ein so tapferes Volk stürzte. Und nach einigen Wochen neues Leid im Nahen Osten. Ich sehe mir ihren „Engel der Geschichte“ 1971 (Anmerkung: 1970) an, mit den zärtlichen Kamelen, mit hebräischen und arabischen Lettern zwischendurch. So viel Versöhnendes strömt aus diesem Buch. Aber Versöhnung ist nicht da, auf beiden Seiten sterben sinnlos junge Menschen. … Diese paar Worte schreibe ich Ihnen, nachdem ich wieder Ihre und Dahim Brahaks Kamele betrachtet habe, nachdem ich wieder bewegt war von Ihrer weiten Menschenfreundlichkeit, in der man Trost suchen muß. …“, schreibt Karola Bloch in einem Brief vom 22.10.1973 (1) an HAP Grieshaber. Seit 1968 erledigte Karola die Korrespondenz für ihren nahezu erblindeten Mann.
Interdependent ist das Verhältnis von Wort und Bild bei HAP Grieshaber und es betrifft die Aussage wie die Wirkungsweise. Was bedeutet das? Text und Darstellung sind voneinander abhängig. Das Bild – zumeist der Holzschnitt – übernimmt als „Lockmittel“ die Aufgabe, den Adressaten der Botschaften anzusprechen, weil es – wenn beides auf einem Blatt zum Einsatz kommt - oft größer als der Text gestaltet ist. Ein weiteres Merkmal dieser Methodik ist es, daß der Künstler in einfachem, unkompliziertem Formenkanon die bildnerische Formel in Szene setzt.
Auf Basis dieser rezeptionsästhetischen Erkenntnis (1) lässt sich begründen, dass Grieshaber das Bild als schnelles und leicht zu identifizierendes Informationsmittel einsetzt.
HAP Grieshaber hat sich durch seine Hinwendung zum großformatigen, farbigen Holzschnitt innerhalb der europäischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts fest positioniert.
Die Wahl des Mediums Holzschnitt bedingt eine besondere Sicht, da sie auch einen spezifischen symbolischen Gehalt artikuliert.
Helmut Andreas Paul Grieshaber – kurz genannt HAP- wird am 15. Februar 1909 im oberschwäbisch-barocken Rot an der Rot als erstes von insgesamt vier Kindern geboren.
In jenem Jahr, in dem Ernst Barlachs Holzplastik „Sorgende Frau“, die Radierung „Arbeitslosigkeit“ von Käthe Kollwitz oder Max Liebermanns bekanntes Gemälde „Selbstbildnis“ entsteht.
Grieshabers Familie zieht 1912 nach Nagold um und HAP wird dort eingeschult, später wechselt er an die Realschule. 1920 siedeln sie in die Achalmstadt Reutlingen über und die schulische Ausbildung führt der junge HAP an der Johannes-Kepler-Oberrealschule – heute Gymnasium – fort.